Es passiert mir immer, wenn ich die Nachrichten im Regionalfernsehen schaue. Bei einer bestimmten Moderatorin kann ich mich kaum auf das Gesagte konzentrieren, weil ich stattdessen fasziniert auf ihr Gesicht starre. Das passt in seiner Glattheit nämlich so gar nicht zum deutlich faltigeren Hals. Offensichtlich hat hier ein kundiger Mediziner herumgedoktert. Wir alle kennen ähnliche Bilder von Hollywood-Stars – weiblichen wie männlichen – die im besten Fall nur eingefrorene Gesichtszüge haben, im schlimmsten Fall nicht mehr wie sie selber aussehen. Und ich frage mich immer: WA-RUM? Wir alle werden älter, und keiner glaubt ernsthaft, dass das Leben für ausgewählte Hollywood-Diven eine Ausnahme macht. Schlimmer aber als das offensichtliche Problem, dass das Gesicht oft nicht mehr zum Rest des Menschen passt, finde ich die Tatsache, dass mit den Falten auch die sichtbaren Erinnerungen an ein Leben ausgelöscht werden.
Falten, graue Haare und was sonst so mit dem Körper über die Jahre geschieht sagt schließlich auch etwa darüber aus, wie wir gelebt haben. Wer im Leben viel zu lachen hat, hat eben auch Lachfalten. Ist doch schön! Wem sich dagegen ein Verlust oder eine schwere Krankheit in die Gesichtszüge eingegraben hat, der darf ruhig stolz sein auf diese sichtbaren Zeichen eines schwierigen Lebensabschnitts. Das ist schließlich ein Kampf gewesen, den man gewonnen hat, das sind Erfahrungen, die einen prägen. Vielleicht sogar verbunden mit besonderen Erinnerung an einen lieben Menschen. Warum sollte man all das auslöschen wollen? Um Schönheitsidealen zu genügen, die vollkommen absurd sind? Wir sehen nunmal nicht unser ganzes Leben aus wie mit Mitte 20. Und die Hand voll Supermodels, die das doch tut, muss dafür auch auf viel Genuss (Schokolade! Cocktails!) verzichten.
Altern – aber bitte mit Würde
Natürlich hüpfe auch ich nicht jubelnd im Kreis, wenn ich mal wieder sichtbare Zeichen des Älterwerdens an mir entdecke. Aber ich stürze auch nicht ein eine Sinnkrise, sondern nehme es einfach hin. Ist halt so. Aber wenn ich sehe, dass Deutschland nach den USA und Brasilien die weltweite Nummer drei in Sachen Botox-Behandlungen ist, dann kann ich mich nur wundern. Wenn man sich die Sorgenfalten wegspritzen lässt, sind die Sorgen selber schließlich trotzdem noch da. Warum laufen so viele Menschen einem Jugendwahn nach, den uns Medien ebenso wie Kosmetik- und Modeindustrie einreden? Alle drei verdienen – rein zufällig, natürlich! – hervorragend daran. Und es wird auch nicht besser, wenn Kosmetik-Hersteller ausnahmsweise mal Models nehmen, die etwas kräftiger und/oder älter sind als der Durchschnitt. Auch mit denen werben sie in der Regel für hautstraffende Produkte, die dem Jugendwahn huldigen.
Erstaunlicherweise wollen wir selber möglichst lange möglichst jung aussehen, auf Reisen sind dann aber alte Frauen mit runzeligen Gesichtern ein beliebtes Fotomotiv. Hier hat jemand ein Leben gelebt, dass beeindruckt uns. Höchste Zeit also, keine Zeit und Energie mehr darauf zu verschwenden, sich über Falten Sorgen zu machen. Es gibt wirklich Wichtigeres im Leben! Tatsächlich gibt es Studien, die zeigen, dass ganz im Gegenteil Menschen mit Falten unbewusst einen Vertrauensvorschuss von uns bekommen. Weil sie authentisch wirken. Schließlich hat man ab einem gewissen Alter nun mal Falten. Und dafür muss man sich nicht schämen!