Eigentlich bin ich die Sorte Mädchen, die nicht gut still sitzen kann. Ich brauche immer mindestens ein Projekt, an dem ich arbeite, habe in der Regel die nächsten drei Reisen schon gebucht und dazu das ein oder andere Seminar. Sonst wird das Leben ja langweilig. Und jetzt das: zu Hause bleiben, Urlaub stornieren und möglichst niemanden treffen. Corona wegen.
Um es gleich mal vorweg zu sagen: Natürlich bin ich privilegiert. Ich habe noch einen Job, muss auch nicht in Kurzarbeit, und bisher hat im Familien- und Freundeskreis niemand Corona. Also habe ich genug Zeit, mir Gedanken zu machen darüber, wie das Virus mein Leben sonst so beeinflusst. Konkret: Wie Corona mich zwingt, Tempo aus meinem Leben zu nehmen.
Statt in Meetings sitze ich nun im Garten
Kurz bevor Corona uns kollektiv in den Stubenarrest gezwungen hat, war mein aktuelles Projekt der Garten. Weil ich letztes Jahr hier ist in der zweiten Hälfte des Sommers eingezogen bin, war es zu spät, um noch groß zu gärtnern. Dieses Jahr sollte es einen kleinen Gemüsegarten geben. Deswegen war ich schon dabei, Zucchini und Tomaten auf der Fensterbank vorzuziehen, als Covid-19 uns den Frühling verhagelte. Und so trägt mich das Projekt Garten nun durch diese seltsame Zeit. Inzwischen haben wir ein Hochbeet gebaut, den Kompost umgegraben um es zu füllen, und ich pflanze fleißig. Nicht nur mit Saatgut aus dem Gartencenter. Wenn man sein Leben fast nur in den eigenen vier Wänden verbringen darf, dann kann man ja auch mal schauen, was sich daheim zum Gärtnern findet. Nun wachsen bei uns Paprikapflänzchen, deren Samen ich aus meinem Abendessen geklaubt habe, aus Vogelfutter gezogene Sonnenblumen und zwei Erdnusspflanzen, für die ich Saatgut aus dem Eichhörnchenfutter gewonnen habe. Ich hoffe nur, der kleine Hopser lässt sie noch ein bisschen wachsen und knabbert sie nicht vorzeitig weg.
Die Arbeit im Garten hat tatsächlich eine unglaublich entschleunigende Wirkung auf mich. Denn Mutter Natur lässt sich nicht hetzen. Einige Pflänzchen kommen mir entgegen und wachsen relativ schnell, Radieschen etwa. Aber andere lassen sich ziemlich lange bitten. Beim Paprika zum Beispiel wollte der erste Schwung Samen gar nicht keimen, erst beim zweiten Versuch klappte es. Die Kapuzinerkresse habe ich nun an drei Standorten ausgesät, aber sie will einfach nicht. Und am allerbesten wachsen ohnehin die Gänseblümchen, die sich ganz von alleine verbreiten. Anstatt in diesen Tagen durch Athen zu schlendern, wie ich es eigentlich gebucht hatte, schaue ich nun den Meisen beim Nestbau zu und kontrollieren fünf Mal am Tag das Hochbeet, vielleicht wächst schon wieder was. Und das alles entspannt mich ungemein.

Mit Stift und Papier
Nicht nur das Gärtner erdet mich, auch in anderen Bereichen geht es wieder “back to the roots”. Ich gehöre zu einer Generation, die mit wenig Fernsehen und vielen Büchern groß geworden ist. Zum Start der Corona-Einschränkungen habe ich deswegen direkt mal einen Schwung Bücher gekauft. Das deutsche Fernsehprogramm ist ja schon länger sehr relativ, und ich persönlich habe ehrlich gesagt auch überhaupt keine Lust mehr auf Corona-Sondersendungen. Stattdessen arbeite ich mich nun durch eine bunte Mischung aus Sachbüchern und Romanen und werde sicherlich auch noch das ein oder andere Buch hier vorstellen. Eigentlich ist es doch Luxus, dass man nun (wieder) Zeit zum Lesen hat.
Zeit nehme ich mir auch, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Und das auf die altmodische Art, mit Stift und Papier. Ich war schon immer eine Briefeschreiberin, und nun erst recht. Statt eine E-Mail zu schicken greife ich immer öfter zu Briefpapier oder wenigstens einer Postkarte. Und das Schöne: es kommt auch Post zurück! Was mir an diesem System besonders gefällt, ist die Tatsache, dass anders als bei einer E-Mail bei einem Brief niemand eine schnelle Antwort erwartet.
Einfach mal nichts müssen
Das Erstaunlichste am Virus ist aber sicherlich die Erfahrung, dass man so gar nichts muss. Keine Termine, keine Verabredungen, keine Theaterkarten. Wenn ich im Home Office Feierabend mache, dann wartet auf mich keine to-do-Liste. Der Einkauf ist das Highlight der Woche, weil man mal rauskommt. Umgekehrt bin ich an den wenigen Tagen, an denen ich ins Büro fahre, abends vollkommen erschöpft. Es prasseln plötzlich so viele Eindrücke auf mich ein und so viele Menschen verlangen eine Interaktion. Kein Wunder, dass vor Corona Schlafmangel und ständige Erschöpfung für viele der Normalzustand waren.
Momentan kann man dagegen ganz ohne schlechtes Gewissen mal einen Nachmittag verbummeln. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag … ohne Verpflichtungen!
super, nett – jetzt bin ich endlich bei Deinen Beobachtungen eingeschaltet!
Und das klingt ja wirklich alles erstaunlich entspannt und un-mürrisch 😉
Freu mich auf die nächsten Kapitel.