Wir leben in bewegten Zeiten. Obwohl sich die meisten von uns gerade wenig bewegen. Das Land hat dank Corona schließlich kollektiv Stubenarrest. Und so sitzen viele von uns im Home Office. Vom heimischen Schreibtisch aus werden Projekte umgesetzt, Mitarbeiter geführt und Unternehmen geleitet. Selbst die Kanzlerin hat Deutschland zeitweise aus der Quarantäne heraus regiert. Für viele Menschen eröffnen sich damit ganz neue Arbeitsperspektiven. Nicht nur, weil sie sich die Zeit für die Anreise zum Büro sparen. Auch sonst ist vieles irgendwie effizienter. Telefonkonferenzen sind deutlich weniger zeitintensiv als Meetings mit Kaffee und Keksen. Plötzlich lassen sich Dinge in Videokonferenzen besprechen, für die man sonst einen ganzen Tag auf Dienstreise gewesen wäre. Und die große Preisfrage ist: Können wir einiges davon auch nach Corona beibehalten und so unsere Work-Life-Balance deutlich verbessern?
Home Office hatte vor Corona nicht immer den besten Ruf. Bei vielen Arbeitgebern war es die Ausnahme, und wer einen Teil seiner Arbeit von zu Hause erledigen wollte, musste umständlich die Gründe dafür erklären. Und auch wenn die Heimarbeiter offiziell nicht benachteiligt werden durften, unterstellte man ihnen doch nicht selten pauschal, dass sie familien- statt karriereorientiert seien. Sonst wären sie ja fünf Tage die Woche im Büro, gerne auch noch weit nach Feierabend. Jetzt sind plötzlich fast alle im Home Office. Und keiner redet davon, dass es der Karriere schadet. Weil die Welt gerade andere Probleme hat. Und die im Home Office froh sind, dass sie überhaupt noch einen Job haben.
Was ist in Zukunft “normales” Arbeiten?
Aber irgendwann kommt der Tag, da geht es wieder zurück zur Normalität. Nur was genau ist das dann? Wir werden nicht einfach so tun können, als hätte es die Wochen im Home Office nicht gegeben. Vorgesetzte, die immer gesagt haben, bestimmte Arbeiten könnte man nur vor Ort erledigen, erleben gerade, wie diese Ansichten demontiert werden. Firmen und Behörden investieren in diesen Tagen massiv in Rechnerkapazität und Software. Im Idealfall sollten diese Investitionen nachhaltig genutzt werden. Also länger als nur während der Corona-Wochen. Natürlich läuft nicht alles ruckelfrei, und das nicht nur bezogen auf Videokonferenzen. Home Office braucht andere Regeln als die Arbeit im Büro. Vor allem aber braucht Heimarbeit Vertrauen. Und ehrlicherweise muss man auch sagen, dass mancher Mitarbeiter nach der Pandemie mit großer Erleichterung wieder fünf Tage die Woche ins Büro fahren wird, weil zu Hause eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben fehlt.

Aber ich glaube, dass auch nach Corona viele zumindest tageweise gerne weiter im Home Office werden arbeiten wollen. Kurz vor der Pandemie, im Dezember, hat mein Arbeitgeber bis zu zwei Tage Home Office pro Woche für alle möglich gemacht. Und erstaunlich viele vor allem junge Kolleginnen und Kollegen haben direkt einen entsprechenden Antrag gestellt. Für die klang Work-Life-Balance deutlich besser als Karriere. Auch ich hatte schon vor Corona einen festen Heimarbeitstag pro Woche. Nach den Wochen des zwangsweisen Arbeiten von daheim werden viele sich überlegen, wie sie diese Flexibilität zumindest teilweise in die Zeit nach der Pandemie übertragen können. Und nicht wenige Arbeitgeber werden feststellen, dass sie durch Home Office Kosten sparen können. Etwa weil sie nicht mehr für jeden Mitarbeiter ein komplett ausgestattetes Büro bereit stellen müssen. Stattdessen können Arbeitsplätze von Mitarbeitern im Wechsel genutzt werden, die nur tageweise vor Ort sind.
Schöner Arbeiten daheim
Home Office hat für mich viele Vorteile. Nicht nur, weil ich mir – je nach Performance der Deutschen Bahn – drei bis vier Stunden Zugfahrt pro Tag spare. So kann ich an Heimarbeitstagen eine halbe Stunde länger schlafen und bin trotzdem eine Stunde früher im Büro als sonst. Und das ausgeruhter, denn die Pendelei schlaucht. Ich arbeite konzentrierter, weil es viel ruhiger ist. Und ich habe viel stärker als im Büro das Bedürfnis, auch nachzuweisen, dass ich tatsächlich arbeite. Meine Feierabend genieße ich dafür umso mehr, auch weil ich mehr davon habe.
Was fehlt, ist das persönliche Gespräch mit Kollegen. Ein Telefonat ist doch etwas anderes als eine zwanglose Plauderei in der Mittagspause. Auch bekommt man über solche Gespräche viel von dem mit, was andere so machen. Dann stellt man fest, das man nicht alles neu erfinden muss, sondern von den Kollegen lernen kann. Ich würde also nicht nur daheim arbeiten wollen. Gegen eine zweiten Heimarbeitstag pro Woche hätte ich aber nichts einzuwenden.
So oder so sollten wird uns besser schonmal daran gewöhnen, dass es in der Arbeitswelt eine Zeit vor Corona und eine Zeit nach der Pandemie geben wird. Digital wird das neue normal. Das Virus dürfte also einiges in unserer Arbeitswelt bewegen. Auch wenn wir uns vorübergehend nicht viel draußen bewegen dürfen.