Brücke in Myanmar

Das Leben im Ausland verändert Dich weniger, als Du denkst

Mit zwei linken Füßen nach Brasilien umziehen und als Samba-König zurück kommen? In Deutschland keine fünf Minuten stillsitzen können, aber in Indien auf einmal problemlos stundenlang meditieren? Das wäre schön, aber so funktioniert das Leben im Ausland leider nicht. Denn nach drei Jahren in den Niederlanden, zwei Jahre in Indien und einem Jahr in Japan habe ich gelernt, dass man eine Sache immer und überall mit hinnimmt: sich selbst!

Versteht mich nicht falsch, natürlich verändert einen so ein Auslandsaufenthalt. Und sicher gibt es auch Beispiele, bei denen Menschen ihren Lebensstil tatsächlich um 180 Grad gedreht haben. Ich sah vor einigen Jahren in einem thailändischen Tempel einen Mönch, der offensichtlich nicht aus Asien stammte, sondern aus Europa oder Nordamerika – und am ganzen Körper wild tätowiert war. Der dürft ein etwas anderes Leben geführt haben, bevor er zum Buddhismus fand und als Bettelmönch durch die Straßen zog. Aber das sind die Ausnahmen. Für die meisten Menschen, die eine Weile im Ausland leben, sind die Veränderungen weitaus subtiler. Denn auch nach einem Umzug ans andere Ende der Welt sind wir immer noch wahlweise pedantisch oder chaotisch, abenteuerlustig oder übervorsichtig, sportlich oder bequem.

Andere Länder, andere Sitten – auch beim innerstädtischen Warentransport

Ausland phasenweise

Wer für eine Zeit ins Ausland umzieht, für den verläuft die Eingewöhnung in Phasen. Am Anfang stehen die so genannten Flitterwochen. Alles ist neu, alles ist exotisch und aufregend. Man kann gar nicht glauben, dass man da leben darf, wo andere Urlaub machen. Und jeder Tag scheint neue Abenteuer bereit zu halten. Diese Phase dauert ein paar Wochen – und dann schleicht sich langsam ein leichtes Unbehagen ein. Die ersten Dinge fangen an, zu nerven. Es ist eben nicht alles nur aufregend und bunt und toll. Je nachdem, wie groß die Kulturunterschiede sind, entpuppt sich das Leben im Ausland auch als anstrengend und der Alltag ist von Fettnäpfchen gesäumt. Die Tropen sind schön, wenn das Wetter schön ist. Aber spätestens beim ersten Wirbelsturm sieht die Sache anders aus. Und langsam fängt man an, Familie und Freunde zu vermissen. Lebenswege gehen auseinander, Kontakte schlafen ein, es bleibt am Ende nur ein harter Kern. Dafür entdeckt man, dass auch ganz banale Dinge aus der Heimat plötzlich großer Luxus sein können. Ich habe zum Beispiel bei meinen Auslandsaufenthalten regelmäßig gutes deutsches Roggenbrot vermisst. Ganz egal, wie gut die lokale Küche war und wie gerne ich sie genossen habe.

Nach den Flitterwochen und dem Kulturschock pendelt man sich schließlich mehr oder weniger in der Mitte ein. Man schließt erste Freundschaften vor Ort, hat ein neues Lieblingscafé gefunden und versucht, jeweils das beste aus heimischer und örtlicher Kultur in den Alltag zu integrieren. Das Leben bekommt eine gewisse Normalität, eine (durchaus gesunde) Routine schleicht sich ein. Und man stellt fest: im Grunde bin ich immer noch derselbe Mensch. Nur eben an einem anderen Ort. Und vielleicht mit einem neuen Hobby, mit vielen neuen Eindrücken, mit mehr Kultursensibilität – aber ganz sicher noch immer mit der alten Persönlichkeit.

Lokale Leckereien – erst aufregend, dann normal

Veränderungen im Kleinen

Verändert einen das Leben im Ausland also gar nicht? Doch! Aber oft merkt man erst nach der Rückkehr, wie und wie sehr. Denn – Spoiler Alert! – wer eine Zeit im Ausland gelebt hat, der erlebt die oben beschriebenen Phasen auch bei der Rückkehr nach Deutschland. Und da stellt man dann fest, dass zu Hause auch nicht alles besser ist. Bahnfahren in Deutschland? Eine Zumutung, wenn man auf die Sekunde pünktliche japanische Schnellzüge gewöhnt ist! Radfahren in der Innenstadt? Katastrophal im Vergleich zum niederländischen Radwegenetz!

Für mich als Blondine, die ich in Deutschland und vielen anderen westlichen Ländern so gar nicht auffalle, war der Aufenthalt in Indien und Japan noch in einem andern Punkt eine lehrreiche Erfahrung. Vor allem in ländlichen Gebieten in Indien, in denen die Menschen nicht oft Ausländer sehen, wurde ich nicht selten zur Attraktion. Was schnell auch unangenehm wurde. Meine japanischen Nachbarn dagegen haben oft so getan, als hörten sie mich nicht, wenn ich ihnen im Hausflur in meinem besten Japanisch einen guten Abend wünschte. So fühlt sich das also an, “der Ausländer” zu sein, mit dem lieber keiner was zu tun haben will.

In der Rückschau habe ich aus allen Auslandsaufenthalten etwas mitgenommen und bin daran gewachsen, wie man so schön sagt. Ich bin mutiger und selbstbewusster geworden, aber auch sensibler gegenüber Kulturunterschieden. Ich sehe manches in Deutschland deutlich kritischer als früher. Und weiß vieles zu schätzen, was wir für selbstverständlich halten. Kurz und gut: Ohne Auslandsaufenthalt wäre ich nicht die, die ich heute bin. Aber trotz der Zeit im Ausland bin ich noch immer die, die ich immer war.

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